Guten Abend zusammen,
ich blicke im Moment nichtmehr durch zum Thema Ubuntu und habe diverse Fragen dazu:
1) Ist Ubuntu vollständig OpenSource oder nicht? Ich rede von dem Zustand wenn ich Ubuntu frisch installiert habe.
2) Wie steht es zum Thema Privatsphäre bei Ubuntu? Ich finde diverse Artikel vor ein paar Jahre, wo Ubuntu wohl Anfragen an Amazaon weitergeleitet hat. Wie kann das überhaupt bei OpenSource sein?
3) Wodurch verdient die Firma hinter Ubuntu genau ihr Geld? Durch Luft und Liebe wohl kaum ...
Ich hoffe ihr könnt bisl Licht ins dunkeln bringen.
Hier ist leider wie so oft bei Linux ziemlich viel Halbwissen unterwegs. Ich fange deshalb nochmal ganz von vorne an.
Ubuntu teilt sich auf verschiedene Paketquellen auf. Namentlich: Main, Restricted, Universe, Multiverse und Partner. Unter einer freien Lizenz stehen dabei alle Pakete (Programme, Bibliotheken, Artwork, Sonstiges), die aus Main und Universe kommen. Alles andere ist mehr oder weniger unfrei. Eine kurze aber vollständige Darstellung findest Du hier:
Paketquellen › Wiki › ubuntuusers.de
Beispiele:
main: Linux-Kernel, Thunderbird, LibreOffice
restricted: Nvidia-Treiber, Intel Microcode
universe: VLC Media Player, Darktable, Gimp
multiverse: Steam, Bibs zum Abspielen von DVDs, Microsoft Fonts
partner: Acrobat Reader
Um es kurz zu machen: Nutze zumindest als Anfänger alle Paketquellen. Du machst Dir das Leben damit wesentlich einfacher. Viele Pakete, wie z.B. die Bibliotheken zum Abspielen von DVDs, sind aus lizenz-rechtlichen
Gründen nicht in Main und Universe enthalten. Das bedeutet aber nicht, dass diese Programme irgendetwas Böses tun oder Dich ausspionieren. Ganz im Gegenteil.
Zum Microcode: Solange es keine freien CPUs gibt, wird es auch keinen freien Microcode geben. Unsere heutigen CPU-Hersteller heißen: Intel, AMD und als Lizenzgeber ARM. Immerhin kommt der Microcode unter Ubuntu als Softwareupdate. Vor allem bekommst Du den Code auf diesem Wege auch schnell wieder aus dem System raus, wenn er Probleme macht. Warum das Microsoft für Windows 10 nicht genauso macht, keine Ahnung.
Die Amazon Geschichte ist Jahre her. Installiere Dir das aktuelle 17.10. und gut ist es! Und natürlich ließ und lässt sich das auch bei älteren Ubuntus leicht abschalten. Dummerweise ist unter all dem Halbwissen, das inzwischen im Netz kursiert, auch sehr viel Unsinn, mit dem Du Dir schlicht Dein System kaputt machst. Ist inzwischen kaum besser als bei den tollen Windows "Profi"-Tipps.
Von einem Ubuntu-System wird überhaupt nichts an Canonical oder sonst wen übertragen, wenn Du das nicht willst. Von dem was Microsoft und Apple treiben, ist Canonical sowieso immer schon Lichtjahre entfernt gewesen.
Sein Geld verdient Canonical momentan vor allem im Serverbereich. Sie leisten aber natürlich auch Support für Firmen. Wurde hier ja bereits angesprochen.
Und nutze bloß keine von den sog. "Anfänger-Distributionen" wie Mint. Das ist nichts weiter als ein verbasteltes Ubuntu, womit Du später nur Ärger hast. Schau Dir stattdessen lieber die offiziell unterstützen
Flavours von Ubuntu an:
Ubuntu flavours | Ubuntu
Von dem Flavor nimmst Du dann die 17.10. Falls Du viel mit Remote-Desktops arbeitest, könnte das aktuelle Ubuntu problematisch für Dich sein. Ich persönlich nutze seit vielen Jahren Xubuntu. Aber das ist am Ende Geschmackssache. Momentan hängt Ubuntu ein wenig zwischen den selbst aufgestellten Stühlen. Die 17.10 setzt auf Wayland statt den X-Server. Bei der im April kommenden LTS wird wieder der X-Server zum Zuge kommen. Letzlich lässt sich das aber alles leicht umstellen, falls es Probleme gibt. Sollte eine Nvidia-Karte in Deinem System werkeln, läuft bis auf Weiteres sowieso immer der X-Server.
Zur Freiheit: Die komplette Freiheit bekommst Du unter Debian und dort auch nur, wenn Du auf proprietäre Software wie den Nvidia-Treiber verzichtest. Freiheit hat ihren Preis. Spätestens, wenn Du ein kommerzielles Spiel spielen willst, hat OpenSource in aller Regel ein Ende. Viele Spiele gibt es zudem nur auf Steam, was ein komplexes DRM-System implementiert und zum Gedanken freier Software im Grunde überhaupt nicht passt. Man kann darüber streiten, ob man einen proprietären Grafikkartentreiber im geheiligten Linux-Kernel haben möchte. Will man das nicht, kann man Nvidia-Karten aber nicht vernünftig unter Linux nutzen und ist auf AMD beschränkt, wo man wiederum andere Probleme hat (werden zum Glück zunehmend weniger).
Es gibt noch zahlreiche weitere Paketquellen für Ubuntu, die nicht direkt von Canonical stammen oder gar nichts mit Canonical zu tun haben und mit denen man Ubuntu um noch sehr viel mehr Software oder aktuellere
Software erweitern kann. Absolut zu empfehlen ist z.B. WineHQ, womit viele Spiele laufen, die es nativ (noch) nicht für Linux gibt. Zum Beispiel Doom 2016 oder GTA V (letzteres mit Abstrichen).
Freiheit kann man unterschiedlich definieren. Aber egal wie die Definition ausfällt, unter Linux habe ich i.d.R. deutlich mehr Freiheit als unter MacOS oder Windows. Vor allem hast Du eine Community, die sehr sensibel auf Themen wie Datenschutz und Sicherheit reagiert. Die Amazon-Geschichte hat Canonical damals einen riesigen Shitstorm beschert. Ich bin damit nie in Berührung gekommen, weil die betroffene Softwarekomponente unter Xubuntu noch nie zum Einsatz kam. Alles was dort gemacht wurde war, dass Deine Dashsuche an Amazon geschickt wurde und Dir von dort Treffer angezeigt wurden. Völlig unnütze, hat kaum ein Mensch verstanden. Das war aber spätestens seit der 14.4. leicht deaktivierbar und ist inzwischen entweder ausgeschaltet oder wurde ganz entfernt. Mir ist es schon seit Jahren nicht mehr begegnet. Ich lese jetzt zum erstenmal hier in diesem Thread wieder davon, was zeigt wie lange sich sowas in der Diskussion hält und zu völlig falschen Entscheidungen führt.